VfL Sittensen | Kunstrasenplätze

KUNSTRASEN, MIKROPLASTIK UND DESSEN VERMEIDUNG

Zur weiteren Information haben wir hier einiges an Fakten und Hintergrundinformationen zum Thema Mikroplastik und Kunstrasen zusammengetragen.

Da es sich bei dem Thema um eine sehr komplexe wissenschaftliche Thematik handelt, sind die Informationen zum allgemeinen Verständnis etwas vereinfacht dargestellt.

Beginnen wir mit der Frage: Was ist eigentlich Mikroplastik?
Als Mikroplastik bezeichnet man kleine Kunststoff-Teilchen mit einem Durchmesser unter 5 mm. Diese Definition wird so auch vom deutschen Umweltbundesamt genutzt. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen bewusst erzeugten Mikroplastik-Partikeln zu Gebrauchszwecken, z.B. in Kosmetika und Drogeriewaren, in Babywindeln als Superabsorber und solchen Partikeln, die durch den Zerfall von Kunststoffprodukten entstehen (Fragmentierung von Plastikmüll). Ob Makroplastik oder Mikroplastik - Kunststoffpartikel jedweder Herkunft verursachen Probleme in der Umwelt, insbesondere in den Weltmeeren, denn sie sind schwer abbaubar und weisen eine ähnliche Dichte wie Wasser auf, so dass sie sich in den Meeren über riesige Entfernungen ausbreiten können.

Über einen Beitrag von Deutschlandfunk Nova und des Heise Technology Review zur Verschmutzung der Gewässer in Norwegen sowie des Spiegel Nr. 44/2018 rückten im Frühjahr 2018 erstmals auch Kunstrasenplätze in den Fokus der Betrachtung. 

Der Mikroplastikabrieb von den Sohlen der Sportschuhen, den Bällen und den Rasen-Fasern selbst wird allgemein als marginal betrachtet und daher im wissenschaftlichen Diskurs nicht gesondert betrachtet. Bisher existieren keine geeigneten Messverfahren, um derart geringe Mengen zu erfassen.

Wie der schematische Aufbau eines Kunstrasenplatzes zeigt, besteht dieser wesentlich aus fest verlegten Bestandteilen wie der Elastikschicht und dem eigentlichen Kunstrasengewebe. Diese Hauptbestandteile stehen nicht im Verdacht, Quelle von Mikroplastiemissionen zu sein. Vielmehr werden diese, wenn sie alterungsbedingt erneuert werden müssen, durch zertifizierte Fachfirmen aufgenommen und recycelt. Beim sogenannten "Infill" hingegen handelt es sich um eine Materialkomponente, die wegen ihrer Körnungsgröße gemäß der obigen Definition als Mikroplastik gilt. Durch die Platzbespielung und die regelmäßige Pflege (Reinigung und Wiedereinbringung) wird das Infill teilweise "verbraucht" und kann deshalb eine Quelle von Mikroplastikemissionen sein. So kann das Infill-Granulat erstens an den Fußballschuhen haften, vom Platz getragen werden und sich etwa auf den Laufwegen zu und in den Umkleiden absetzen. Dort lässt es sich allerdings aufnehmen und wieder auf den Platz zurückführen. Zweitens kann es auch zu einem Abrieb des Granulates kommen, der dann verwehen, mit dem Regenwasser in die Oberflächenentwässerung abtransportiert werden oder aber ins Erdreich versickern kann.

Wenn über Kunstrasenanlagen in diesem Zusammenhang gesprochen wird, geht es daher fast immer um das Einstreugranulat. Die im Infill verwendeten Materialien reichen von recycelten Autoreifen (SBR), über EPDM-Kautschuk, diverse nachwachsende Rohstoffe, bis zu Kork und Sand. Jedes dieser Materialien weist individuelle Eigenschaften auf, sowohl sporttechnische als auch ökologische. Diese Eigenschaften werden bei der Planung einer Anlage abgewogen und auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt.

Mirkoplastik und Kunstrasen-Sportplätze. Ein paar Zahlen zu diesem Thema.

Bildrechte und Urheberrechte liegen bei der Polytan GmbH, Burgheim

BISHER KEINE MESSERGEBNISSE FÜR KUNSTRASENANLAGEN

In einer Konsortialstudie des Fraunhofer-Instituts vom Juni 2018 (Auftraggeber waren u.a. BASF, Evonik und Beiersdorf) wurde der Aspekt der Mikroplastikemission noch unterstrichen, da dort Kunstrasenplätze an fünfter Stelle möglicher Verursacher gelistet wurden. Die Studie selbst hat allerdings nur andere verfügbare Angaben verglichen und hochgerechnet. Messungen hierzu wurden nicht angestellt. Entsprechend weist die Studie auch darauf hin, dass die gesammelten Erkenntnisse nicht auf experimentell erhobenen Daten basieren, sondern sich allein auf unterstellte Verbrauchsdaten gründen, das heißt im Fall des Kunstrasens auf der jährlichen Verkaufsmenge an Kunststoffgranulat-Infill. Ob, wo und in welchem Umfang es in Bestandsplätze eingebracht wurde, wurde nicht erhoben - auch nicht, aus welchen Materialien das Infill bestand. In die Berechnung gingen auch Angaben von Infill-Verbräuchen außerhalb Deutschlands ein. Dort weichen die technischen Bauweisen für jedoch Kunstrasenplätze gravierend von denen in Deutschland genutzten Bauweisen und Infill-Arten ab. Während z.B. in Holland, Spanien und Italien durchaus 15 bis 18 kg SBR (recycelte Autoreifen) pro Quadratmeter Kunstrasen zum Einsatz kommen können, kommen die in Deutschland erhältlichen technologisch fortschrittlichsten Anlagentypen mit max. ca. 3 kg/qm Infill aus größtenteils nachwachsenden Rohstoffen aus. Diese gravierenden Unterschiede fanden keinen Eingang in die Untersuchung. Nach Herstellerangaben wird der tatsächlich Granulatverbrauch solchermoderner Kunstrasenanlage in der Studie um ein Vielfaches überschätzt. Daher gilt die "Fraunhofer Studie" unter Fachleuten aus Deutschland als nicht belastbar und umstritten. Da sie bis dato aber die überhaupt einzige Berechnung zur Mikroplastikemission von Kunstrasenanlagen ist, wird die Studie immer wieder zitiert.

DAS KONKRETE PROJEKT IN SITTENSEN

Wichtig sollte es sein, tatsächliche und belastbare Zahlen für Kunstrasenplätze in moderner Bauweise, wie sie in Sittensen zum Einsatz kommen wird, zu ermitteln. Dies gilt um so mehr, als dass bei der spürbaren Klimaveränderung, der sozialen Relevanz hochwertiger Sportanlagen und dem stetig steigendem Nutzungsdruck hin zu hochbelastbaren Kunststoffrasen perspektivisch kein Weg vorbeiführt. 

Daher hat sich der VfL Sittensen zur Durchführung eines europaweit ersten konkreten Pilotprojekts als Feldforschung zur Untersuchung der tatsächlichen Emission von Mikroplastik durch Kunstrasenanlagen entschlossen. Hierzu wird - erstmals überhaupt auf einer Kunstrasenanlage - eine neu entwickelte Substratfilteranlage für anfallende Regenwasserbelastungen an Sportfreiflächen verbaut.
Das Konkrete Bauvorhaben hierfür ist eine C-Kampfbahn mit einem Kunstrasen-Großfeld (104x74m), vier Kunstoff-Laufbahnen und ein Kleinfeld (74x54m).
Mit der Untersuchung auftretender Schadstoffkozentrationen und Jahresabflussmengen sollen jährliche Schadstofffrachten detailliert erfasst und die Belastung  des Regenwasserablusses mit Mikroplastik und anderen unerwünschten Stoffen festgestellt werden. Oberflächenwasser und Dränwasser soll dabei getrennt gesammelt und bezüglich Quantität und Qualität bewertet werden können.
Zur Ermittlung wichtiger Eintragspfade (Windfrachtdeposition) sollte sichergestellt werden, das externe Einflussgrößen (Feinstaubbelastung) separat erfasst werden, um die Ergebnisse auf der Sportanlage nicht verfälschen. Daher könnten ggf. auf der Anlage Messstationen für Regenwasser und Feinstaubbelastungen installiert werden (sofern nicht bereits im Umfeld vorhanden), um die Ergebnisse der Analysen miteinander in Abgleich bringen zu können. 
Durch regelmäßiges Absaugen und eine Rückstellung von Saugstäuben bei der Kunstrasenpflege könnte zudem Kenntnis über die Dynamik von Fragmentierungsprozessen von Kunstrasenplatztypischen Materialien gewonnen werden. Ebenso sollen Auslaufzonen, Reinigungsplätze und Windfangvorrichtungen den Austrag des Infills vermindern und in die baulichen Maßnahmen integriert werden.
Unter der Schirmherrschaft des Niedersächsischen Umweltministeriums soll das Pilotprojekt über den gesamten Zeitraum der Untersuchung gutachterlich bzw. wissenschaftlich (d.h. Probennahme, Analyse und Auswertung) begleitet werden. Sinnvoll ist dabei die Betrachtung über einen gesamten Lebenszyklus des Kunstrasenbelags (12-15 Jahre).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der VfL Sittensen für seine Kunstrasenanlagen erstens ein Infill mit einem nur geringen Kunststoffanteil einsetzen will und dadurch die eingesetzte Mikroplastikmenge im Infill möglichst gering hält, zweitens durch verschiedene bauliche Maßnahmen den möglichen Mikroplasikeintrag in die Umwelt zu minimieren anstrebt und drittens Teil eines Forschungsprojektes sein wird, mit dem erstmalig der tatsächliche Mikroplastikeintrag von modernen Kunstrasenanlagen in Deutschland wissenschaftlich gemessen wird.

Weltweit erstes Mikroplastik Filtersystem für Kunstrasenanlagen.

Bildrechte und Urheberrechte liegen bei Hauraton GmbH & Co. KG, Rastatt